Vom "Genießer" zum Nichtraucher
Hallo,
habe gestern dieses Forum entdeckt und möchte euch
gerne an meinen Erfahrungen teilhaben lassen. Vielleicht gibt es ja den
einen oder anderen Anstoß.
Ich bin 40 Jahre alt und rauche ca.
seit meinem 15. Lebensjahr, ca. 20 - 30 Stück am Tag, manchmal mehr,
die letzten Wochen hatte ich versucht mich bei 20 einzupendeln.
Lange Zeit konnte ich mir überhaupt nicht vorstellen, mit dem
Rauchen aufzuhören. Ich wollte das nicht, ich rauchte ja gerne und
nicht etwa weil ich süchtig bin. Außerdem hatte ich (leider)
nie extreme Erscheinungen wegen dem Rauchen wie z.B. einen schlimmen
Raucherhusten morgens.
Ich hatte früher einige halbherzige
Versuche hinter mich gebracht, damit aufzuhören, aber eigentlich
wollte ich ja nicht aufhören. Ich rauchte ja schließlich gerne und
nicht etwa weil ich süchtig bin. Eimal hatte ich eine
fürchterliche Erkältung und zu der Zeit hatte ich auch erst ca. 4
Jahre geraucht und es fiel noch nichtmal sehr schwer, nicht zu rauchen. Das
nächste Mal war es zusammen mit einigen Arbeitskollegen, weil die
anderen sich über den Qualm beschwerten. Einmal war es, weil mein
Partner plötzlich mit dem Rauchen aufhören wollte und ich mich
verpflichtet fühlte, da mitzumachen. Aber ich fing immer gerne wieder
mit dem Rauchen an.
Vor beinahe 3 Jahren lernte ich dann meinen
Mann kennen. Er war sein Leben lang Nichtraucher, fühlte sich aber
durch meine Qualmerei überhaupt nicht gestört. Wirklich nicht.
Auch in total verqualmten Kneipen etc. hat er kein Problem. Als ob er
überhaupt nicht dafür empfänglich wäre. Ich dachte
manchmal wenn wir nach Hause kamen "Puh, hier muss dringend mal
gelüftet werden", ihm fiel das gar nicht auf. Von daher kam von ihm
auch nie ein Wort in der Richtung, ob ich nicht endlich mal die Raucherei
aufgeben wollte oder so. Das einzige war ab und zu mal eine Bemerkung wegen
der Gesundheit, aber auch das nicht aufdringlich.
Trotzdem scheint
das irgendwas in mir ausgelöst zu haben. Plötzlich fing ich an,
mich mit dem Gedanken zu beschäftigen, wie es wäre, nicht mehr zu
rauchen. Das war ungefähr im letzten Oktober oder November.
Anfangs war die Vorstellung unvorstellbar. Ich rauchte doch
schließlich gerne! Ich rauchte doch nicht weil ich süchtig war!
Allein bis ich diesen Gedanken zugelassen habe war ein ziemlich langer
Prozess. Es vor mir selber (geschweige denn vor anderen) zuzugeben,
dass ich süchtig bin nach diesem Zeug. Dass ich mir ein Leben ohne
nicht vorstellen kann. Was sollte ich denn mit der ganzen Zeit anfangen, in
der ich jetzt rauche? Wie soll ich eine lange Autofahrt, Bahnfahrt oder
Flug ohne Zigaretten überstehen? Wie das Warten auf Zug oder S-Bahn
oder sonst irgendwas? Was soll ich nach dem Essen ohne Zigarette machen?
Wie soll ich ohne Zigarette telefonieren? Am Computer sitzen? Auf dem
Balkon sitzen und lesen? Fernsehen? Putzen ohne Zigarette? Bügeln? In
der Badewanne sitzen?
Ihr merkt schon, ich bin ein ziemlich
hartnäckiger Fall weil eigentlich habe ich überhaupt nichts
gemacht ohne zu rauchen (außer schlafen, duschen und Sport im
Fitnesszentrum. Danach aber SOFORT eine anstecken!!).
Wie gesagt,
das war im letzten Herbst und nachdem sich dieser Gedanke erstmal im Kopf
festgesetzt hatte, war ich sehr viel in diversen Foren unterwegs, auf
entsprechenden Seiten im Internet, habe Bücher gelesen usw. usf.
Trotzdem habe ich dabei noch nicht ans aufhören gedacht.
Jedenfalls nicht richtig. Ich konnte mir einfach ein Leben ohne Zigarette
nicht vorstellen!
Die Erfahrungsberichte vieler Exraucher haben
mich auch nicht gerade ermutigt. Ich habe eigentlich wenig über Leute
gelesen, denen es leicht fällt. Die meisten leiden unter physischen
und psychischen Entzugserscheinungen. Verlangensattacken, Schmacht,
Unleidigkeit, Aggresivität, Gewichtszunahme, usw. usf.
Ich
haben Allen Carr und Lindinger gelesen. Ich habe sonst alles möglich
gelesen. Es hat nicht KLICK gemacht.
Aber so nach und nach muss
sich doch etwas getan haben. Meine Wahrnehmung änderte sich.
Ganz langsam wurde mir z.B. bewusst, dass die Situationen, in denen ich
NUR rauche, weil ich sonst nichts zu tun habe, sehr selten sind, wie Warten
auf jemanden oder etwas. Das ist eigentlich alles. Den Rest raucht man
unbewusst nebenher. Wenn man sich das mal klar macht und seine Zigaretten
wirklich nur noch raucht und sonst gar nichts tut - nicht lesen, nicht
fernsehen, nicht computern, einfach nur rauchen - stellt man fest, wie
langweilig und nervig das eigentlich ist, dass man jetzt seine Sucht
befriedigen muss.
Als nächstes wurde mir klar, dass meine
Angst, dass sich nach dem Aufhören alles Denken nur noch um die
Zigarette dreht, völliger Blödsinn ist. Denn was mache ich denn
als RAUCHER? Ich denke doch ununterbrochen an Zigaretten!! Habe ich noch
genügend dabei? Habe ich genügend Kleingeld für die
nächste Packung aus dem Automaten? Wo ist der nächste Automat /
Kiosk / Laden / Kneipe etc. wo ich Nachschub bekomme? Hoffentlich ist der
Film bald aus, damit ich endlich eine rauchen kann. Ob man wohl bei XY
rauchen darf oder in der Kälte auf dem Balkon raus muss (dann
würde ich eigentlich lieber auf den Besuch verzichten)? Nach XY
kann ich nicht in den Urlaub fliegen, da fliegt Condor nicht hin und alles
andere sind Nichtraucherflüge. Nein, ich hab keinen Bock ins Museum zu
gehen (und 3 Stunden keine rauchen zu dürfen). Was, in diesem
Hotel gibt es nur Nichtraucherzimmer? Na dann lass uns doch lieber was
anderes buchen obwohl das hier natürlich supertoll wäre, schade.
Nimmt diese Besprechung denn nie ein Ende? Will außer mir niemand eine
rauchen gehen? Warum gibt es eigentlich immer mehr Nichtraucherbüros
und man muss zum Rauchen rausgehen als wenn man aussätzig wäre.
Warum haben riesenlange Züge nur noch einen Raucherwagen? Ob es in dem
wohl noch Platz gibt? Oh gott, mein Feuerzeug ist leer, hoffentlich sind
irgendwo Streichhölzer. Warum muss der mich ausgerechnet jetzt um eine
Zigi anpumpen wo ich eh nur noch 2 habe. Die Aufzählung könnte
weitergehen, aber ich denke, es ist klar, was ich meine.
Dann fing
ich im Februar wieder mit meinem geliebten Krafttraining an. In dem Studio,
in dem ich früher war, war eine Art Bistro dabei und da durfte
geraucht werden. Das neue Studio ist ein kompletter Nichtraucherbau. Die
Mitglieder und Trainer sehen allesamt nicht so aus, als würden sie dem
Rauchen frönen. Na ja, war mir anfänglichem Schreck egal, ich
dachte, die 2 - 3 Stunden werde ich schon aushalten. Aber sobald ich raus
war - ins Auto und Zigarette anzünden. Aber erst außer Reichweite –
nicht dass die Trainer sehen, dass ich so ein grässliches Laster habe.
Mit der Zeit war mir die Wolke von altem Qualm, die mir entgegenschlug,
wenn ich meinen Spind in der Garderobe aufmachte, nicht mehr nur peinlich
sondern auch lästig.
Wie ich überhaupt merkte, dass mich
die Raucherei mehr und mehr NERVTE. Wie mein Schreibtisch immer aussah!
Alles voller Asche und Tabakkrümel, inklusive Tastatur, Telefon usw.
Wenn man den Mülleimer aufmachte, kam ekliger Gestank von alten Kippen
raus. Wenn man etwas reinstopfte wenn er schon etwas voll war, staubte die
Asche in der ganzen Küche rum. Wenn ich aus der frischen Luft in die
Wohnung kam, nervte mich der Gestank nach Qualm. Obwohl ich nach wie vor
rauchte, nervte es mehr und mehr. Vor allem der Gestank. Alles stank. Ich
selbst, meine Haare, meine Kleider, meine Wohnung, alles.
Und
mich nervte die Erkenntnis und das Wissen, dass nicht mehr ich mein Leben
im Griff habe, sondern dass mich die Zigarette im Griff hat und mir
diktiert, was ich wann wo wie tue: wen ich besuche und wen nicht weil ich
da rauchen kann oder nicht, wo ich im Urlaub hingehe, wie lange ein Einkauf
dauern darf, wie lange ein Krankenbesuch, wie lange eine Trainingseinheit,
ob die anderen endlich mit dem Essen fertig sind, damit ich rauchen kann,
dass ich mich nicht über die Einladung zu einem supertollen Essen
freuen kann, weil es in einem Nichtraucherrestaurant stattfindet, usw.
Ich kapierte, dass mich das Zeug unglaublich einschränkt und
meine Lebensqualität erheblich beschneidet, weil sie mir unendlich
viele Möglichkeiten raubt. Das hatte überhaupt nichts mit
gesundheitlichen Überlegungen zu tun: jeder Raucher kann sich X Bilder
von Raucherlungen ansehen, das hilft überhaupt nix. Solange man nichts
merkt davon und selbst wenn man es merkt steckt man es immer noch nicht.
Ich kenne Leute die rauchen mit Lungenemphysem ....
Nein, ganz normale,
alltägliche Dinge wie oben beschrieben.
Trotz all dieser
Erkenntnisse und all dem Nerv hatte ich immer noch einen riesigen Bammel
vor dem Aufhören. Ich habe diese ganzen Monate auch mit niemanden
über mein Vorhaben geredet. Angst vor Versagen, Angst vor der eigenen
Courage? Als das alles recht weit gediehen war, bin ich immer noch vor dem
Gedanken zurückgeschreckt und habe für mich selbst Gründe
gefunden, warum ich jetzt nicht aufhören kann. Es ging nicht, weil
meine Mutter zu Besuch kam, die raucht. Es ging nicht, weil ich einen
extrem stressigen Auft rag zu erledigen hatte. Es ging nicht weil ich noch
eine Woche zu meinen Eltern fahren und ihnen den Rechner installieren
wollte. Es ging nicht, weil ich da Urlaub habe und im Urlaub soll man sich
den Stress ja nicht antun.. Aber wenn ich arbeite habe ich auch Stress. Und
so weiter und so fort. Ausreden über Ausreden.
Und in dieser
Situation hat mir dann das Buch von Allen Carr geholfen, obwohl ich es da
schon zweimal gelesen hatte und bis dahin nicht gefunden habe, dass es mir
etwas hilft. Plötzlich habe ich diese ganzen Argumente als Ausreden
erkannt und von da an bewusst angefangen, mir klarzumachen, dass ich mir
nichts wegnehme, dass ich nichts verliere, sondern ganz viel gewinne!! Die
Zigarette ist kein guter Freund, dem ich mit leisem Bedauern nachweinen
muss. Sie ist ein ganz gemeiner Sklaventreiber, der mich im Griff hat und
der mir diktiert was ich wann zu tun habe!!!!!
Und dann habe ich
mir den 1. Mai als Termin zum aufhören gesetzt. Das war Anfang April.
Nach 2 Wochen hat es mich so sehr genervt, das ich den Termin auf den 15.4.
vorverlegt habe.
Nun, ich bin ja wirklich ein harter Fall und
habe eine lange Raucherkarriere geschafft. Also war und bin ich trotz all
dieser Erkenntnisse trotzdem sehr skeptisch und traue mir wohl auch nicht
so richtig. Und wie gesagt, auch die ganzen Erfahrungsberichte, die ich
gelesen habe, haben mich veranlasst, mehr als wachsam zu sein.
Nach
dieser ganzen langen, teilweise unbewussten, Vorbereitung habe ich also
beschlossen, den Versuch mit Niquitinpflastern zu starten (Zyban war
mir zu gefährlich). Ich habe bis zum 14. April gequalmt wie ein
Schlot. Die letzte um kurz vor Mitternacht habe ich sogar richtig
zelebriert: mit Sekt und Abschied nehmen. Wie geplant, um 23.59 h die
letzte ausgedrückt und schlafen gegangen.
Am nächsten
Morgen das erste Pflaster draufgeklebt und gewartet. Eigentlich warte ich
heute noch. Wie gesagt, nach meiner Raucherkarriere bin ich SEHR vorsichtig
und wachsam. Und kann es kaum glauben wie einfach es ist. Klar, ich nehme
noch die Pflaster, aber ich habe bereits nach 1,5 Wochen von 21 mg auf 10,5
mg halbiert und mache sie jetzt nachts ab. Keine Veränderung. Ich
werde sie wohl noch so 2 Wochen in niedrigerer Dosierung ausschleichen.
Klar habe ich ab und zu einen Schmachtanfall, aber viel weniger schlimm als
ich mir das jemals vorstellen konnte. Die waren auch nie sehr lang und
werden immer weniger. Interessanterweise fallen mir die Momente, die ich
mir NIE ohne Zigi hätte vorstellen können, am leichtesten: die am
morgen zum Kaffee, die nach dem essen, die in der Kneipe mit Freunden. Ich
habe mich relativ schnell wieder in Kneipen gewagt, denn wie heißt es so
schön: ich höre auf zu rauchen, nicht zu leben !!! Auch dachte
ich z.B. ich müsste sicher morgens von Kaffee auf Tee umsteigen, weil
das so miteinander verbunden ist. Überhaupt kein Problem. In der
ersten Woche machte die Verdauung ein wenig Probleme, das hat sich mit
Hilfe ballaststoffreicher Ernährung und viel Trinken gelegt. Klar habe
ich auch ab und zu einen Blähbauch, aber wenn ich es ehrlich
überlege, hatte ich den früher auch oft und er wurde nach einer
Zigarette nicht besser. Auch Völlegefühl nach dem Essen wird von
einer Zigarette nicht wirklich besser. Das einzig "echte" Problem das
ich habe, ist der ewige Hunger, der mich im Moment plagt. Dem gebe ich aber
größtenteils nach, esse aber fett- und zuckerarme Dinge. Außerdem
gibt es viel Sport. Sogar laufen, was ich mir früher nie hätte
vorstellen können. Bewegung macht mir immer mehr Spaß. Jetzt in der
dritten Woche habe ich auch langsam den Eindruck, meine Haut wird besser.
Ansonsten spüre ich noch keine „Wunderdinge“ und erwarte die auch
nicht, nach 25 Jahren Rauchen muss ich dem Körper bestimmt einige Zeit
geben, bis die positiven Auswirkungen richtig zu spüren sind. Ich
glaube, das ist auch wichtig, dass man keine Wunder erwartet. Es passiert
nicht jeden Tag irgendwas Großartiges.
Mir ist klar, es sind
erst 3 Wochen und 2 Tage. Ich bin aber so glücklich über mein
rauchfreies neues Leben und über meine saubere, wohlriechende
Umgebung, dass ich ziemlich sicher bin, dass ich nicht rückfällig
werde. Gestern früh habe ich meinen Mann um 7.00 h zum Bahnhof
gefahren. Auf dem Rückweg wurde mir bewusst, dass ich früher um
diese Zeit bereits bei der 2. oder 3. Zigarette gewesen wäre. Bei dem
Gedanken, mir um diese Uhrzeit das Zeug in die Lunge zu ziehen wurde mir
ganz schwindelig.
So, das ist jetzt ein ziemlicher Roman
geworden. Ich hoffe, euch wurde beim lesen nicht langweilig sondern zeigt,
dass auch hartnäckige Fälle, langjährige starke Raucher mit
Angst vor dem Aufhören es schaffen können, wenn sie sich gut
vorbereiten und die richtige Motivation haben.
Zum Nichtrauchen
braucht es vor allem Motivation, die Fähigkeit, sich vorzustellen,
Nichtraucher zu sein und Durchhaltevermögen. Dieser Satz, den ich
irgendwo gelesen habe, war für mich sehr hilfreich und ich halte ihn
für sehr wahr.
Ich drücke euch allen die Daumen und
wünsche euch viel Erfolg !!!!!!
Antje (8.5.2001)
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